Bruderschafts-Logo Warum unser Herr Pfarrer
nicht Geistlicher Rat wurde

Ein Interview über die Werdenfelser Bruderschaft
im Regensburger Bistumsblatt vom 30. Januar 1994

 

Foto von Hans Wittmann

+ 20. März 1998

 

 

  Sooft Ehrentitel wie Geistlicher Rat oder Monsignore verteilt werden, gibt es in manchen Pfarreien Verwunderung, weil ihr eifriger Pfarrer wieder leer ausgegangen ist, während der Nachbar mit einem Titel geehrt wurde. Manche Pfarrer sahen sich dadurch veranlasst, in ihrem Pfarrbrief zu erklären, dass sie zur Werdenfelser Bruderschaft gehören. Deren Mitglieder verzichten nämlich bewusst auf bischöfliche und päpstliche Ehrentitel. Im folgenden bringen wir ein lnterview mit dem Initiator dieser Gemeinschaft, Pfarrer Hans Wittmann, Direktor des Exerzitienhauses Werdenfels.
Bistumsblatt: Wie kam es zur Gründung der Werdenfelser Bruderschaft?
Wittmann: In den ersten Jahren des Werdenfelser Seminars - es war wohl 1974 - stand plötzlich am Schluss eines fünftägigen Grundkurses ein junger Pfarrer auf und sagte dem Sinn nach etwa so. "Was wir hier getrieben haben, war einfach schön. Und jetzt komme ich wieder heim und bin wieder ganz allein." So wie ihm geht es vielen Mitbrüdern: es fehlt ihnen eine tragende Gemeinschaft.
Bistumsblatt: Aber es gehören doch alle Weltpriester zum Presbyterium des Dekanates bzw. der Diözese. Wozu also noch eine eigene Gemeinschaft?
Wittmann: Der Dekanatsklerus kann es in der Regel nicht schaffen, was jener Mitbruder sich ersehnte. Noch weniger kann es der Gesamtklerus einer Diözese, mag der Bischof noch so eifrig und mitbrüderlich sein. Ob deshalb nicht eine Gemeinschaft von Mitbrüdern nötig wäre, in der sich Gleichgesinnte zusammenfinden, ein Stück gemeinsames Leben führen und sich gegenseitig im priesterlichen Dienst bestärken, um so im Dekanat und in der Diözese initiierend und inspirerend zu wirken.
Bistumsblatt: In welchem Jahr kam es zur Gründung und war Bischof Manfred Müller von vornherein eingeschaltet?
Wittmann: Bereits ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt 1982 habe ich unserem Bischof die Idee vorgetragen. Er hat sofort dafür grünes Licht gegeben. Die Ehemaligen des Werdenfelser Seminars aus unserer Diözese, die schon mehrmals bei uns Kurse besucht hatten, wurden zur Gründung an Hl. Dreikönig 1983 eingeladen. Von etwa 100 kamen 17. Wir wollten uns nicht zu einer "Pressure group" gegen das höhere kirchliche Amt zusammenschließen, wie es sie damals in vielen Diözesen gab, sondern zu einer Bruderschaft mit dem Ziel des spirituellen und pastoralen Austausches. Dabei wollten wir besonders pflegen, was aus den jahrelangen Erfahrungen der vielen Seelsorgerkurse in Werdenfels sich deutlich als Defizite im heutigen Weltklerus ergeben hatte.
Bistumsblatt: Gibt es in der Werdenfelser Bruderschaft so etwas wie eine Satzung oder Bruderschaftsregel?
Wittmann: Natürlich. Wir waren uns von vornherein klar, dass es ohne dies nicht geht. Schon bei der Gründung haben wir uns auf neun Bruderschaftszeichen bzw. -hilfen geeinigt. Im Laufe der vergangenen elf Jahre wurden sie in einer Satzung noch genauer definiert. Gern können Sie die erste Seite unserer Satzung veröffentlichen.(Sie haben die Bruderschaftszeichen auf unserer Homepage schon mit dem ersten Link auf die Werdenfelser Bruderschaft gefunden)
Bistumsblatt: Und wie steht es mit dem Eintritt und dem Austritt aus der Bruderschaft?
Wittmann: Wer der Werdenfelser Bruderschaft beitreten will, teilt dies dem Sprecher mit. Nach Ablauf eines Jahres, während dessen der Bewerber einen Gaststatus hat, erklärt er vor dem Leitungsteam oder der Bruderschaftsversammlung, dass er Mitglied werden will. Ein Ausscheiden aus persönlicher Entscheidung und im gegenseitigen Einvernehmen ist jederzeit möglich. "Wer dreimal hintereinander bei einem Brüdertreffen unentschuldigt fehlt, tut damit kund, dass er nicht mehr zur Bruderschaft gehören will und schließt sich damit selber aus", steht wörtlich in der Satzung. Im übrigen freuen wir uns über jeden, der zu uns stößt.
Bistumsblatt: Wenn es in Ihrer Satzung heißt: "Die Werdenfelser Bruderschaft ist eine Gemeinschaft von Weltpriestern", ist dieser Ansatz nicht doch vorkonziliar? Wäre es nicht richtiger, ihre Gemeinschaft auch für Laien zu öffnen?
Wittmann: So war es ursprünglich auch gedacht. Im Laufe der Jahre kam die Mehrheit unserer Gemeinschaft zur Überzeugung, dass wir als zölibatäre Priester auch einen Kreis brauchen, wo wir einmal ganz unter uns sind und offen über alles reden können, was speziell uns betrifft. Dass die Mitglieder unserer Bruderschaft dankbar sind und gezielt daran arbeiten, dass das Mit- und Füreinander von Laien und Priestern immer stärker wird, kann ich Ihnen ehrlich versichern. Nebenbei sei verraten, dass sich seit zwei Jahren eine Gemeinschaft von Laien und Priestern regelmäßig bei uns trifft, die sich den Namen gegeben hat "Werdenfelser Weggemeinschaft". Wir freuen uns darüber.
Bistumsblatt: Wie hat sich die Werdenfelser Bruderschaft seit der Gründung vor elf Jahren entwickelt?
Wittmann: Aus den 17 Gründungsmitgliedern sind wir inzwischen in unserer Diözese Regensburg auf 39 angewachsen. Die Bandbreite ist groß: Kapläne, Pfarrer, Dekane, einige Priester im Ruhestand, theologisch und gesellschaftspolitisch - schematisierend gesagt von rechts bis links, zwei Drittel von uns stehen in der Pfarrseelsorge und ein Drittel im kirchlichen Sonderdienst, einer davon ist Universitätsprofessor für Pastoraltheologie. Wir tolerieren uns nicht nur, sondern mögen uns: gegenseitige Hilfe ist selbstverständlich.
Bistumsblatt: Inwieweit ist die Werdenfelser Bruderschaft schon über die Diözesangrenze hinausgewachsen?
Wittmann: Seit zwei Jahren gibt es in der Augsburger Diözese eine Gruppe mit 16 Mitgliedern und in der Diözese Linz mit acht Mitgliedern. Jede Gruppe arbeitet selbstständig. Was uns außer dem Namen verbindet, sind die neun Bruderschaftszeichen und -hilfen. Ich bin überzeugt, dass es auch in anderen Diözesen zu Gründungen kommen wird.
Bistumsblatt: Die regelmäßigen Brüdertreffen gehören zum Programm. Sind sie mehr eine lockere Zusammenkunft oder gibt es dabei ein festes Programm?
Wittmann: Natürlich, sie laufen klar strukturiert in der Regel von Sonntag, 16 Uhr, bis Montag mittags: Nach dem Kaffee gesungene Vesper, Plenum, Erfahrungsaustausch in Gruppen über die geistliche Hausaufgabe, Abendessen, 20 bis 21 Uhr Meditation, gemütliches Beisammensein. Montag, 7.45 Uhr Laudes, Plenum, Kurzreferat, Gruppenarbeit, Eucharistiefeier als Konzelebration. Immer sind die Treffen ein Stück Erholung und spirituelle und pastorale Vertiefung.
Bistumsblatt: Ist die Bezeichnung "Bruderschaft" nicht doch etwas antiquiert. Wäre nicht "Kreis" oder "Gruppe" zeitgemäßer?
Wittmann: Mag sein, wir nennen uns trotzdem bewußt "Bruderschaft". Dieser Name entspricht dem Evangelium. Jesus hat gesagt: "Nur einer ist Euer Meister, ihr alle aber seid Brüder" (Mt 23,8). Bruder Franz von Assisi und Bruder Klaus von Flüe sind unsere Patrone. Dazu kommt der marianische Akzent, der schon immer in Werdenfels betont wird. Die Brüderlichkeit hindert uns nicht, jedes Jahr in geheimer Briefwahl den Sprecher und seine beiden Stellvertreter neu zu wählen. Nachdem ich seit elf Jahren immer wieder zum Sprecher gewählt wurde, habe ich mich diesmal nicht mehr auf die Kandidatenliste setzen lassen, sondern habe gebeten, nun einen Jüngeren mit dieser Aufgabe zu betrauen. Inzwischen ist es geschehen. Pfarrer Klaus Stock, Diözesanseelsorger für Beratungsdienste und Pflegeberufe wurde zum neuen Sprecher der Regensburger Gruppe gewählt.
Bistumsblatt: Laut ihrer Regel gehört zu Ihrem dreifachen Freisein auch das Freisein von bischöflichen und päpstlichen Ehrentiteln, wie Geistlicher Rat, Monsignore, Prälat. Ist dies nicht für den Bischof brüskierend?
Wittmann: Ganz im Gegenteil. Gerade weil der einzelne Werdenfelser Bruder bewusst darauf verzichtet, kann er um so unbefangener. offener und freier zum Bischof sein. Übrigens hat unser Bischof schon zweimal einen halben Tag als Bruder unter Brüdern bei uns verbracht, und je einmal der frühere und der jetzige Generalvikar. Und weil wir nicht eng sind: Wer beim Eintritt in die Bruderschaft schon einen Ehrentitel hat, braucht ihn nicht zurückgeben, soll sich aber wenigstens von den ihm Anvertrauten nicht so anreden lassen.

Bistumsblatt: Damit in Zukunft Pfarrangehörige sich nicht mehr ärgern müssen, wenn ihr Pfarrer wieder einmal bei der Titelverleihung nicht "Geistlicher Rat" oder "Monsignore" oder gar "Prälat" geworden ist, dürfen wir vielleicht sogar die Namen der Werdenfelser Brüder in unserer Diözese veröffentlichen?
Wittmann: Gern können Sie es tun, denn wir sind keine Geheimloge. (Hier die Namen der Werdenfelser Brüder: Michael Bauer, Willibald Baumgartner (+), Hermann Blümel (+), Christian Braun (+), Werner Gallmeier, Josef Gebhardt, Hans Götz, Hans Gschlößl, Klaus Habermeier, Robert Hegele, Helmut Heiserer, Thomas Köppl, Lorenz Leibl (+), Günter Lesinski, Dr. Peter Maier, Helmut Meier, Franz Mühlbauer, Konrad Mühlbauer, Raimund Nather (+), Gerhard Pausch, Josef Renner, Heinrich Rosner, Martin Särve, Hans Schächtl, Dietmar Schindler, Wolfgang Schmid, August Sparrer, Willibald Spießl, Klaus Stock, Otto Strauß, Josef Unsicker, Erhard Unterburger (+), Franz Wiesner, Prof. Dr. Hubert Windisch, Dr. Herbert Winterholler, Eugen Wismeth, Hans Wittmann (+), Thomas Zinecker, Karl Zirngibl (+).